Alles ist tief rot?
Erst gestern Abend schrieb mir Frank, einer meiner Coaching Klienten aus 2021 und klagte mir sein Leid. Er hat seine Strategie nach einem aus seiner Sicht sehr hohen Drawdown kurzfristig ausgesetzt. Zu viel wurde ihm die mentale Last. Zu stark der Druck. Zu groß die Angst, dass nun alles den Bach runtergeht. Doch war das klug? Kommt drauf an.
Statistik hat ihre Grenzen
Nun – nichts ist perfekt. Weder diskretionäres Traden noch Trading mit System. Der diskretionäre Trader weiß nie, wo er steht. Er weiß nie, ob er seine Erfolge (falls er die jemals hatte) duplizierbar sind. Ob er je wieder auf die Straße des Erfolges zurückkehrt. Da hat es ein Systemtrader doch deutlich leichter, oder?
Ja aber – müsste man sagen. Natürlich hat ein Systemtrader gewisse Vorteile. Er sieht den Track Record mehrere Dekaden zurück in die Vergangenheit. Er kennt die wesentlichen Kennzahlen. Er sieht typische Gewinn- und Verlust-Serien. Und er sieht, wie sich das System in vergleichbaren Marktphasen (Beispielsweise im Corona Crash) verhalten hat. Doch dabei treten einige Probleme auf.
Jeder Crash ist anders
2001, 2008, 2020 – das waren die letzten markanten Jahre, in denen es einen Börsencrash gab. Doch jeder Crash ist anders. Während 2001 schleichend verlief (und von 2000 bis 2002/03 dauerte) verlief 2008 schnell und heftig. Dabei blieb der Markt ein halbes Jahr am Boden sitzen und tauchte dann erst wieder auf. 2020 verlief ebenso rasch und heftig, doch noch rascher und heftiger verlief die Erholung. Alles bleibt also anders wie es so schön heißt und kein Crash gleicht dem anderen, wenn man genauer hinsieht.
Daher ist es auch nur bedingt hilfreich, sich im Crash auf den Backtest zu stützen. Gleiches gilt auch für Kennzahlen wie den Max. Drawdown und ähnliches. Die nutzen da oft herzlich wenig.
Die Zukunft kennt niemand
Der Vorteil des Systemtraders liegt wohl auch darin, dass er eine Basis hat, auf der er aufbauen kann. Diese Basis ist sein System, das er kennt, weil er es selbst entwickelt hat. Es ist in der Regel einfach mit wenig Aufwand umsetzbar, bringt durchschnittlich gute Renditen und man weiß, was einem in etwa erwartet.
Doch das funktioniert nur so lange, so lange sich die Märkte normal verhalten. Und das tun sie derzeit nicht, auch wenn wir jetzt, im Mai 2022, keineswegs von einem Börsencrash sprechen können.
Wir sehen derzeit eher einen schleichenden Verfall, der gepaart mit hoher Vola manche zur Verzweiflung treibt. Doch die hohe Vola ist wichtig, wie wir später noch anhand der Rendite von Billions sehen werden. An Billions erinnern sie sich doch, oder? Wenn nicht, hier die Aufklärung.
Zum Billions Ticker
Statistische Methoden und ihre Grenzen
Statistik ist per Definition die Analyse von Massenphänomenen.
Wenn nun der Dow Jones, der stellvertretend für alle US Blue Chips die Messlatte ist, das erste Mal seit fast 100 Jahren 8 Wochen hintereinander negativ performt, dann darf man nicht erwarten, dass in dieser Zeit statistische Methoden super Renditen abwerfen. Warum?
Weil 1x in 100 Jahren kein Massenphänomen ist!
Weil so eine Marktphase eben viel zu selten vorkommt, um darauf Regeln aufzubauen, die damit umgehen können. In so einer Phase geht es darum, durchzuhalten. Weiterzumachen. Nicht im Drawdown das Handtuch zu werfen. Denn der Rebound wird kommen. Wie lange die Durststrecke andauert, wie heftig sie wird? Und wann es wieder nach oben geht? Niemand weiß das.
Im Nachhinein sieht es beim Backtesting immer so einfach aus. Man blickt auf die Monatsrenditen der letzten 25 Jahre. Hier (fiktives Beispiel) im Jahr 2002 sieht man 6 Verlustmonate in Folge. Dort – 2008 – sogar drei Verlust Quartale am Stück. Alles kein Problem. Danach ging es ohnehin wieder rauf.
Aber hier und jetzt? Mit seinem echten Geld? Der Monatsreport reicht nicht in die Zukunft. Er geht bis maximal gestern. Und danach? Wohin geht die Reise? Keiner weiß es. Und dann? Dann hilft nur das Vertrauen, dass man bei der Entwicklung gute Arbeit geleistet hat.
Aber was funktioniert derzeit überhaupt? Die Antwortet lautet: Aktien mit hoher Vola.
Volatilität ist derzeit gefragt
Ich habe mal bei den Billions Strategien nachgesehen, wie die 3 Strateigen 2022 bisher performen.
Stand 20. Mai
- Billions 1: – 6.88%
- Billions 2: + 1,07%
- Billions 3: – 10.06%
- Benchmark SaP 500: – 18.07%
Dazu muss man wissen, dass die beiden Strategien 1 und 3 mit „low Vola“ Stocks aus dem SP 500 arbeiten. 3 sogar mit Dow Jones Aktien. Die Gemeinsamkeit: Geringe Vola + Verluste. Die Verluste relativieren sich jedoch, wenn man sich den Markt ansieht. Alle drei Strategien schlagen den Gesamtmarkt. Mit „long only“ Ansätzen eigentlich sehr gut. Trotz negativem Vorzeichen.
Billions 2 ist sogar im Plus. Nicht viel aber immerhin doch. Obwohl der Markt bei Minus 18% steht. Sehr beachtlich. Der Unterschied? High Vola Aktien.
Damit sieht man, dass derzeit Vola angesagt ist. 2021 war es jedoch umgekehrt. Da war eher low Vola in Mode. Da haben Billions 1 und 3 die Billions Strategie 2 deutlich geschlagen. Und 2020 war es wieder anders. Da war Billions 2 um Längen besser.
Was lernen wir daraus?
Auch scheinbar sehr idente Strategien (long only Reversionssysteme auf US Blue Chips) können deutlich unterschiedlich performen. Es hängt oft von scheinbaren „Nebensächlichkeiten“ wie anderen Aktien oder dem EINEN Filter ab, der dann doch Einstiege zulässt oder verhindert. Und schon ändert sich das Ergebnis massiv.
Mein abschließender Ratschlag an dieser Stelle
Wir sollten daraus lernen, nicht dem Markt hinterher zu laufen. Auch wenn low Vola derzeit weniger gut funktioniert. Ab morgen kann das jedoch anders aussehen. Ein ständiges ändern der Strategie ist also kontraproduktiv. Besser wäre es, von Anfang an nicht nur eine Strategie zu traden sondern mehrere, damit sich die Gesamt Rendite glättet.
Wenn sie ihrer Strategie vertrauen, wenn sie sicher sind, so gut es geht bei der Systementwicklung ihre Hausaufgaben erledigt zu haben und vor allem die Strategie so gut es eben geht nicht überoptimiert haben, dann traden sie weiter.
Auch wenn die Entwicklung derzeit enttäuschend ist. Ein schwaches Halbjahr ist kein Grund um alles in Frage zu stellen. Wobei man noch darauf achten sollte, ob die Strategie wirklich schwach ist. Das wäre sie meiner Ansicht nach nur dann, wenn sie dem Gesamtmarkt hinterher hinkt. Und selbst dann wäre es kein alleiniger Grund, das System abzuschalten.
Trading ist kein Sprint sonder ein Marathon. Warum das so ist zeigt diese Marktphase deutlich. Weiterhin viel Erfolg!