Manchmal hat man den Eindruck, dass Trader und Anleger von zwei verschiedenen Planeten stammen. Dabei eint beide Fraktionen, dass sie versuchen, an der Börse Geld zu verdienen.
Die angewendeten Methoden sind dabei jedoch grundlegend verschieden. Was beide Disziplinen trennt, was sie eint und welche Methodik aus unserer Sicht die bessere ist, das verraten wir in diesem Fachartikel.
Ich wurde Trader durch Zufall
Als ich meine ersten Aktien kurz nach der Jahrtausendwende kaufte, wussten ich nicht, dass es so etwas wie Trading überhaupt gibt. Aktien waren Finanzanlagen für die Ewigkeit für mich, denn schließlich empfahlen erste gelesene Fachbücher von oder über Buffet, Kostonaly, Lynch & Co genau diesen Zugang zu den Märkten.
Aktien kauft man also langfristig, war die Botschaft. Und im Idealfall hält man sie, bis man in Rente oder Pension geht.
Doch meine ersten Börsenjahre waren von herben Verlusten geprägt. Einerseits, weil es um die Jahre 2001 und 2002 wenig an den Märkten „zu holen“ gab (die Notierungen fielen auf breiter Front), andererseits, weil ich viel zu wenig Fachwissen bis dahin verinnerlicht hatten.
Ich unterschätze die Märkte. Denn von außen sah alles so einfach aus. Aktien einfach kaufen – natürlich nur die große Blue Chips, und dann zusehen, wie das Vermögen wächst. Doch Investing funktioniert so nur in der Theorie. Doch davor hatte mich niemand gewarnt.
Denn meine Blue Chips wollten einfach nicht steigen. Im Gegenteil. Sie wurden weniger und weniger wert. Und das mit heftigen Schwankungen von mehreren Prozenten pro Tag.
Heute würde ich es so formulieren: die Volatilität war damals extrem hoch, doch damals hatte ich das Wort Volatilität noch nicht in meinem Sprachgebrauch intus.
Die Verluste schlugen mir aufs Gemüt und ich war kurz davor, das Handtuch zu werfen. Doch dann hatte ich eine Idee. Wenn Aktien wie Allianz, Axa oder Siemens jeden Tag um 5% oder mehr schwankten, könnte man daraus doch einen Vorteil ziehen.
5% Gewinn auf ein Portfolio von 55.000 Euro (mehr Geld hatte ich damals noch nicht) wären 2.750 Euro – pro Tag! Ungläubig rieb ich mir die Augen. Wäre das wirklich möglich?
Natürlich relativierte ich sofort. Denn das klang zu gut um wahr zu sein. Also vielleicht schaffe ich nur die Hälfte und das auch nicht jeden Tag, dachte ich. Aber so oder so – wenn ich nur halbwegs die Kursbewegungen antizipieren könne, würde ich an der Börse mehr verdienen als in meine Job in der Versicherung (wo ich damals eigentlich recht gut verdiente).
Theoretisch war diese Annahme korrekt, praktisch zogen mich meine hilflosen und aus heutiger Sicht lächerlichen Trading Versuche noch mehr ins Minus.
Wie es dann weiter ging können sie meiner Vita entnehmen. Doch diese Einleitung war nötig, um zu zeigen, dass ich – bis heute – sowohl Trader als auch Investor bin. Auch wenn ich über meine langfristigen Anlagen öffentlich so gut wie kaum spreche.
Daher bin ich sicher, die Freude und das Leid beider Fraktionen, also die von Tradern und Anlegern, gut nachvollziehen zu können.
Vermögensberatung oder wie tickt Otto Normalanleger?
Der Mensch vergisst üblicherweise rasch. Zumindest bin ich jemand, der negative Erfahrungen rasch abhaken kann und wieder schnell nach vorne blickt. Das musste ich an der Börse auch, denn sonst hätte ich diese anfängliche Misere, die ich vorhin nur in Ansätzen erzählt habe, bis heute nicht wegstecken können.
Doch diese Fähigkeit, so ehrlich muss ich sein, führt auch zu einer gewissen Intoleranz Menschen gegenüber, die sich für Börsen nicht interessieren aber trotzdem davon profitieren wollen (trifft gefühlt auf gut 80% aller Anleger zu).
Diese Anleger sind der Meinung, dass ihr Investment jedenfalls sicher ist, das Schwankungen nach unten mit Verlusten gleichzusetzen sind und dass sie bloß Fonds oder ETFs kaufen und halten müssen, um damit ihre Rente aufzubessern.
Sie verstehen aber weder, wie natürlich und wie wichtig die Schwankungen an den Märkten sind noch können sie abschätzen, dass Kurseinbrüche großartige Kaufgelegenheiten sind, die man unbedingt nutzen muss.
Börsenkurse fallen niemals alle
Kurseinbrüche können sich dabei verschieden darstellen. Die Börse in ihrer Gesamtheit bricht niemals ein, auch wenn es von den Medien oftmals so formuliert wird. Zumindest fallen niemals 100% aller gelisteten Aktien, ETFs, Währungen oder Futures.
Fallen Aktien, steigt oft Gold oder Öl. Fällt der Ölpreis, ist das gut für Aktien und diese steigen häufig in so einem Fall. Geben Aktien nach, steigen vielleicht die Zinsen und Käufer von Anleihen freuen sich.
Und Währungspaare wiegen sich ohnehin gegeneinander auf, weil sie nur paarweise handelbar sind. Es gibt zu jederzeit an den Märkten also Gewinner und Verlierer. Man muss eben nur auf der richtigen Seite stehen…
Ihr Investment wird bestimmt an Wert verlieren
Natürlich kann und wird das Investment von Otto Normalanleger steigen und fallen. Geht es nach oben, fühlt man sich bestätigt und alles ist normal. Fallen die Notierungen, bricht Panik aus und nichts ist mehr wie vorher.
Und da jedes Investment irgendwann auch nach unten geht, wird diese Panik irgendwann auch bei ihnen ankommen. Statistisch müssen wir alle 8 bis 9 Jahre mit einem echten Börsencrash rechnen.
Blickt man 20 Jahre zurück, kommt das dann tatsächlich hin. 2001, 2008 oder 2020 – das waren die drei markanten Jahre mit signifikanten Verwerfungen.
Der ahnungslose Anleger ist auf die Börse nicht vorbereitet
Der Gesetzgeber tut alles, um den unwissenden Anleger zu schützen. Das ist auch gut so, auch wenn manche Vorschriften, die gut gemeint sind, nach hinten losgehen.
Beispielsweise durften wir in der Vermögensberatung damals kein Short Selling machen. Dabei wollten wir nur deshalb short gehen um unsere Long Positionen zu sichern (Hedging). Was für den Kunden weniger Risiko bedeutet hätte.
Hier macht das Gesetz aber keinen Unterschied. Damit konnten wir uns bei Kleinanleger nicht absichern, zumindest nicht bei der uns gewählten Investment – Form des Managed Accounts. Fonds hingegen sind ein anderes Rechtskonstrukt, falls sie sich gerade wundern, weil ihr Fonds abgesichert ist.
Daher können Fonds sich sehr wohl absichern. Ein Managed Account konnte das nicht. Und für unsere Kunden war das nicht immer optimal.
Dutzende Risikohinweise an allen Stellen und verschiedene Disclaimer sollen darüber hinaus den Kunden aber auch den Vermögensverwalter schützen. Auch hier: gut gemeint. Aber was hilft das in der Praxis?
Ein Factsheet, also die historische Performance Übersicht, muss dem Kunden vor Unterzeichnung des Vertrages vorgelegt werden. Neben dutzenden anderen Unterlagen. Und je nach Risikoneigung darf das Investment in Folge mehr oder weniger stark schwanken.
Doch was nützt es dem Kunden, wenn er in einer Tabelle auf einem Papier, das er gleich unterschreiben muss, sieht, dass der maximale Wertverlust seines Produktes mit 44% ausgewiesen wird.
Natürlich kann der Berater diese Kennzahl auch einem Laien begreiflich machen. Doch fachlich gesehen ist maximale Wertverluste keine Messlatte. Er ist ein Einzelereignis und kann im nächsten Crash überschritten werden. Ist dann die Anlagestrategie schlecht? Natürlich nicht.
Warum wir das mit dem maximalen Drawdown explizit erwähnen? Weil wir damals Kunden hatten, denen die Performance vor Abschluss nicht hoch genug sein konnte. Sie unterschrieben daher eine hohe Risikoklasse mit einem maximalen Drawdown von über 50%.
Um dann bei einem tatsächlichen Minus von 9% bei uns anzurufen, weil die Sorge um das eigene Geld groß geworden ist. „Was ist denn mit der Strategie los? Funktioniert die nicht mehr…?“
Das oben beschriebene Verständnis (oder Unverständnis) zu Anleger, die sich so verhalten, wurde in solchen Situationen auf eine harte Probe gestellt. Und heute bin ich froh, solche Gespräche nicht mehr führen zu müssen. Denn so geduldig ist auch sein mag – jeder Faden reißt irgendwann.
Anleger haben es schwer
Anleger haben es weit schwerer als Trader. Ich denke, dass das Chance/Risikoverhältnis beim Trading einfach deutlich besser ist. Anleger werden langfristig die Märkte kaum signifikant outperformen.
Auch wenn man mal gerade in ein Produkt investiert hat, das zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist (China Aktien, Technologie, Öl – wie auch immer der Investment Schwerpunkt aussieht). Nichts ist von Dauer.
Alles normalisiert sich wieder und Asset Klassen, die heute in schwindelerregenden Höhen notieren werden morgen zu den Verlierern gehören. So funktioniert Börse.
Und damit ist es kaum möglich, mit Investments – das betrifft jetzt Otto Normalanleger – langfristig deutlich mehr als 8% aus den Märkten zu holen. Nach Kosten aber vor Steuern versteht sich.
Und diese im Vergleich bescheidenen 8% sind mit immens hohen Verlustrisiken verbunden. Nicht der Totalverlust ist hier gemeint, denn der sollte bei diversifizierten ETFs oder Fonds ausgeschlossen sein sondern die Schwankungsbreite, die wiederum von Laien Investoren als Verluste gesehen werden.
Ein ETF auf den Dax oder den SP 500, ein landläufig sicheres und „vernünftiges“ Investment, glaubt man Finanzexperten, wirft also knappe 8% ab. Bei Schwankungen, die weit über 40 oder 50 Prozent nach unten hinausreichen.
Der Anleger muss also bereit sein, mit seinem sicheren und aus seiner Sicht passiven Investment mit vernünftigen Produkten – ohne Gedanken an eine Herumzockerei, für die eigene Pensionsvorsorge – mehr als die Hälfte seines Kapitals zu verlieren.
Mehr als die Hälfte! Welcher Anleger, der fachlich kein Interesse an den Märkten hat und sich daher damit auch nicht beschäftigt, hält das aus? Welcher Anleger nimmt das gelassen hin? Die wenigsten, wie Panikverkäufe bei Kurseinbrüchen in der Praxis zeigen.
Doch eigentlich müssten hier an so einer Stelle Panikkäufe einsetzen. Immer, wenn niemand Aktien haben will ist es die beste Zeit, langfristig einkaufen zu gehen.
Trader hingegen können auch mit einfachen Regeln eine Rendite von 15% pro Jahr – nach Kosten aber noch vor Steuern – erzielen. Gibt man sich Mühe, wird man an der 20% Hürde kratzen.
Ohne besonders hohes Risiko. Mit dem Trading von Blue Chips. Ohne Hebel. Und mit deutlich weniger Schwankungen als bei einem Investment.
Während der SP 500 beispielsweise im Zuge der Finanzkrise mehr als 55% an Wert einbüßte, und damit dem Anleger (Buy & Hold) horrende Papierverluste beschwerte, die mental sehr schwer zu bewältigen sind, kann ein Trader mit einem gutes System hier nur knapp über 35% Wertverlust reüssieren. Outperformance gibt es nämlich nach unten (Drawdown) und nach oben (Performancegewinne)
Damit sehen wir, dass das Chance Risikoverhältnis des Trades deutlich lukrativer ist. Mehr Renditechancen stehen weniger Verlust Risiken gegenüber. Egal ob passives Investieren oder Stockpickung: mit dem Trading können beide Optionen nicht mithalten.
Und auch die Statistik und die Wahrscheinlichkeiten sind auf der Seite des Traders. Natürlich kann ein Investor einen Glücksgriff machen und Apple oder Tesla zur richtigen Zeit gekauft haben.
Aber kann man so etwas wiederholen? Oder war es Glück? Glück hat in einer Börsenstrategie nichts verloren und Trader können aufgrund der Häufigkeit ihrer Trades auf einer stabilen Datengrundlage aufbauen und Wahrscheinlichkeiten besser ableiten.
Damit drängt sich folgende Frage auf:
Warum traden dann nicht alle?
Passives Investieren kann jeder, der über 18 ist und nicht entmündigt wurde. Konto eröffnen. Geld einzahlen und entweder selbst ETFS kaufen oder einen Robo Adivsor nutzen. Verhältnismäßig sicher, günstig und performant.
Wenn da nicht die Drawdowns wären, von denen man entweder vorher noch nie etwas gehört hat oder von denen man nicht weiß, wie sich ein Papierverluste am eigenen Leib anfühlt. „Wird schon wieder steigen“ ist dann etwas, das einem auch nicht weiter hilft.
Aktives Investieren ist schon mit deutlich mehr Aufwand verbunden. Hier muss man gute Aktien auswählen, was zumindest im Ansatz betriebswirtschaftliche Kenntnisse erfordert. Hier sind die Renditechancen zwar besser aber man läuft Gefahr, die falschen Titel auszusuchen und damit die Verlust Risiken drastisch zu erhöhen.
Trading hingegen ist extrem lukrativ. Aber es ist zu lernen und verursacht sehr viel Arbeit. Zum einen muss man es wirklich von der Pike auf lernen und dabei folgen die Gesetzmäßigkeiten dieser Disziplin nichts, was man bisher kennengelernt hat.
Hat man gelernt gute Trading Systeme zu entwickeln, muss man täglich an den Märkten dran sein und die Strategie live umsetzen. Für die meisten Anleger ist Traden einfach zu arbeitsintensiv.
Anlegen kann man nebenbei, ohne viel über die Börsen wissen zu müssen. Traden muss man zwar auch nebenbei, denn die wenigsten werden so wie ich Profi Trader sein, die davon leben. Aber vom Aufwand her kommt es einem richtigen Beruf gleich. Und hier reicht einfach ein Gelegenheitsengagement nicht aus, um Erfolg zu haben.
Meine Erfahrungen beim Traden und Anlegen
Wie ich einleitend geschrieben habe, bin ich Trader und Investor. Ich kenne beide Seiten des Geschäfts nur allzu gut. Ich denke, dass Trading schwieriger zu lernen ist, aber auch die Gewinnchancen sind deutlich höher.
Daher würde ich dem Trading den Vorzug geben, wenn ich mich für eine der beiden Möglichkeiten entscheiden müsste. Aber ich habe auch die Zeit und den Ehrgeiz, meine Trading Fähigkeiten auch heute noch permanent weiterzuentwickeln.
Da das für die meisten nicht möglich sein dürfte, raten wir Otto Normalanleger zu passiven Investments. Auch durch Nutzung des Cost Average Effekts kann man gute langfristige Renditen erzielen.
Doch Achtung: nur weil die Märkte in den letzten Jahren permanent gestiegen sind (wenn man das große ganze Bild sieht) bedeutet das nicht, dass das immer so bleibt.
Vielleicht werden Aktien in den nächsten 100 Jahren nicht mehr weiter steigen und eher seitwärts tendieren oder sogar fallen? Dann sieht so gut wie jeder Langfristanleger durch die Finger, während ein Trade in jeder Marktphase gute Gewinnchancen hat.
Wir wollen hier niemanden zum Traden verleiten. Im Gegenteil. Es wartet ein langer und harter Weg auf sie. Doch wenn sie diesen Weg meistern, haben sie deutlich mehr Rendite Chancen als ein Anleger.
Trotzdem kann es für sie besser zu sein, passiv zu investieren. Sie müssen die Auswahl einfach an ihre Ressourcen anpassen. Fachlich ist Traden zwar kein Klacks aber auch keine Raketenwissenschaft. In einer Woche Intensiv Seminar haben sie die Grundlagen verinnerlicht.
Trotzdem ist der Beruf Trader mit einem hohen Comittment ihrerseits verbunden. Halbherzige Versuche sind zum Scheitern verurteilt. Überlegen sie daher bitte gut, welchen Weg sie an der Börse einschlagen wollen. Nur dann werden sie die Erfolge haben, die sie sich wünschen.